Übersetzte Fassung des Artikels „Wine Touring the Mosel by River“ von Veronica Leonard, erschienen im Wine Tourist Magazine, Ausgabe November 2016
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Ich bin Wein Tourist, kein Wein Experte. Ich höre sehr gerne die Hintergrundgeschichten zu den Weingütern, lerne von Weinbauern und Winzern über die Anbaubedingungen, die Auswahl der Trauben, den Prozess der Weinherstellung, das Terroir und über ihre Herausforderungen. Ich liebe seltene Außenseiter-Rebsorten, experimentelle und spezielle Weine. Aber mein Fotograf, Fahrer und angehender Ehemann ist davon nicht immer so begeistert.
Für uns war das ultimative Wein Touren Erlebnis eine Flusskreuzfahrt. Innerhalb von wenigen Tagen konnten wir die Region, ihre Geschichte, die Kultur und den Wein erkunden. Die Kreuzfahrt bietet mehr als die reine Verkostung von Weinen, sie lässt einen in die Weinkultur eintauchen und ER braucht auch nicht zu fahren.
Durch das Moseltal und die Rheinschlucht zu schippern steht seit Jahren auf meiner Liste, vor allem wegen den historischen Orten, Burgen, Ausblicken und dem Wein. Die Entspannung im Fünf-Sterne Komfort, die Restaurants, Unterhaltung sowie die Ruhe und Schönheit der gemächlichen Reise, vervollständigen die wundervollen Erlebnisse, auch dann, wenn es kühl oder bewölkt ist.
Wir entschieden uns für Avalon Waterways für unsere Flusstour von Trier nach Amsterdam, weil wir bereits eine Donau-Kreuzfahrt mit ihnen im Jahr 2014 genossen hatten. Es gibt aber viele andere hervorragende Reedereien auf dieser Strecke, die sich auf bestimmte Nationalitäten und Interessen spezialisieren. Wir passierten Schiffe von AmaWaterways, A-Rosa, CroisiEurope, Emerald, Excellence, Grand Circle, Scenic, Tauck, UniWorld und Viking, mit denen wir am Ende des Tages oft einen Liegeplatz teilten, weil einfach zu wenig Anleger vorhanden sind.
Unsere Reise, ebenso wie Deutschlands Weinbau, begann in Trier.
Die Reise und der Weinbau, beides begann in Trier, der ältesten Stadt Deutschlands. Die Legende besagt, dass Trier von Trebeta, einem assyrischen Prinzen, um 2050 v. Chr. gegründet wurde. Es war von den Kelten bevölkert, als es im Jahr 15 vor Christus von den Römern erobert wurde. Die frühen Römer pflanzten die ersten Trauben der Rebsorte Elbling, die auf den steilen Schieferhängen gedieh. 320 n. Chr. war Trier eine Kaiserstadt und ein Handelszentrum mit fast 100.000 Einwohnern. Wein gehörte bereits zu den Exportwaren. Trier ist bis heute die ‚Hautstadt‘ an der Mosel.
Triers römische Wurzeln und Ruinen sind überall zu finden: die Bäder, das Amphitheater, die heute protestantische Konstantinbasilica, die früher der kaiserliche Thronsaal war und das riesige Stadttor, die Porta Nigra, durch das die Fässer mit Wein und andere Produkte durchgekommen sein müssten.
Nach heutigen Maßstäben, zählt der Elbling nicht mehr zu den bevorzugten Weinen, aber es ist ein kräftiger trockener Weißwein, der gut zu Käse, Brot und Wurst passt. Aus einer Laune heraus hob ich mein Glas und salutierte einem imaginären römischen Zenturio, der sich nach einem langen Marsch am Hauptplatz ausruhte.
Während wir langsam das gewundene Tal der Mosel entlang kreuzten und in den historischen Städten Halt machten, erkannten wir, dass Trauben Hauptantrieb des Wachstums der Mosel-Region waren. Ihr Bild ist überall: im Stadtwappen, auf edlen Wappen, Gemälden und Statuen. Die Fachwerke von vielen alten Gebäuden sind eingefasst mit stilisierten Knospen, die Reben andeuten.
Die Landschaft erzählt die Kulturgeschicht der Region. Die steilen Hänge sind ein Flickenteppich von kleinen Weinbergen, wieder und wieder aufgeteilt und über Jahrhunderte den Söhnen und Enkeln vermacht. Vom fruchtbaren Land am Flussufer sind die Weinberge im Lauf der Jahrhunderte höher und höher geklettert, bis in die beinahe unbezwingbaren Steilhänge, wo nur die starken Wurzeln der Reben sich tief in den felsigen Boden bohren können und gedeihen. Die Weinbauern werden Ihnen erzählen, dass die Reben, die in diesen heiklen Stellen wachsen, die besten Weine produzieren.
Über Jahrhunderte befand sich das Land im Besitz der Kirche und des Adels und wurde an die Bauernfamilien verpachtet, die ihren Zehnten und die Steuern mit ihren besten Weinen beglichen. Die Steuern konnten auch in Kastanienmehl oder Walnuss-Öl entrichtet werden, da beide Baumarten den Fluss säumen.
Bernkastel ist die Heimat der Doctor-Weine, die zu den teuersten Weinen der Welt zählen. Die Weine aus dieser Region sind überwiegend Riesling, der im 15. Jahrhundert gezüchtet wurde. Seine Vorgänger, wie der Weiße Heunisch und der Traminer, waren der Wein in den Legenden des 14. Jahrhunderts. Wir haben gelernt, dass Bohemund II., Erzbischof von Trier, während seines Aufenthalts in seiner Sommerresidenz, der Burg Landshut bei Bernkastel, sehr krank wurde. Keine der herkömmlichen Behandlungen hat geholfen. In seiner Verzweiflung hat sein Diener ein Fass vom besten Wein aus dem Keller geholt und ihm als die beste Medizin, die er zu bieten hatte, angeboten. Nach einigen Tagen und nichts anderem zu trinken war der Bischof auf eine wundersame Art genesen. Aus Dank übereignete er dem Weinbauern der sagenhaften Reben seinen 3,5 Hektar großen Weinberg, nannte den Wein Bernkasteler Doctor und erklärte ihn zur einzig wahren Medizin.
Der Doctor Weinberg hat eine Süd-Süd-West Ausrichtung und blickt auf einen Knick der Mosel. Er liegt hoch oben in den steilen Hängen mit einer Steigung von 45° – 68º und dunklem, verwitterten blauen Schieferboden. Die heutigen Reben sind bis zu 80 Jahre alt und werden für ihre Spätlesen und Auslesen geschätzt, die bis zu 100 Jahre reifen können. Die Eisweine von hier sind sehr selten und werden gereift mit Hunderten von Euros für eine 250 ml Flasche bewertet.
Die medizinische Wirkung des Doctor Weins führte zu der allgemeinen Überzeugung, dass eine Flasche Wein pro Tag gut für die Gesundheit sei. In der Tat wurden die Mönche im Mittelalter ermutigt, drei Flaschen pro Tag zu trinken! Man muss wissen, dass der Alkoholgehalt geringer als heute und der Wein wahrscheinlich sicherer als das Wasser war.
Doctor Weine liegen weit über meiner Preisklasse, aber das gesamte Weingebiet Bernkasteler-Lay wird für seine Weine gefeiert. Zu unserer Kreuzfahrt gehörte auch ein Besuch der VinoThek, einem Weinmuseum mit Selbstbedienungs-Weinprobenkeller. Mit über 100 trockenen bis süßen Weinen in verschiedenen Qualitätsstufen war die Auswahl einfach überwältigend. Zum Glück hat uns der Kreuzfahrtdirektor, Tibor Saho, eine Liste seiner Favoriten gegeben, so dass der Besuch so etwas wie eine Schnitzeljagd durch die Kellergewölbe wurde.
Um mein Interesse an den Mosel-Weinen wissend, überreichte mir der Hotel Manager des Schiffs eine Flasche R. Prüm Riesling trocken. Die Ursprünge des Weingut S. A. Prüm in Wehlan, in der Nähe von Bernkastel, reichen zurück bis ins Jahr 1156, und der Winzer Raimund Prüm wird international gefeiert. Der Wein wird für einen besonderen Anlass aufgehoben.
Steillagen bedingen einen sehr arbeitsintensiven Weinbau. Jede Rebe wird während der Vegetationszeit 16 mal behandelt und die Trauben werden in der Regel von Hand gelesen, da Maschinen in den steilen Hängen nicht praktikabel sind. Es ist eine harte und gefährliche Arbeit. Jede Rebe ist einzeln angebunden, ohne verbindende Drähte, was es den Arbeitern ermöglicht, die Reben horizontal am Hang entlang zu versorgen anstatt wie sonst üblich vertikal. Wir sahen Hubschrauber, die Fungizide sprühten. Keine landgängige Maschine hätte diese Aufgabe erledigen können.
Die Vegetationsperiode ist von April bis Oktober mit Durchschnittstemperaturen von 12° C. Die Böden sind überwiegend Devonschiefer und Muschelkalk, ideal für fruchtige, weiße Weine mit niedrigem Alkohol. Der Fluss verhindert, dass die Temperaturen im Winter zu niedrig werden und der felsige Boden absorbiert das Sonnenlicht, um die Reben nachts zu wärmen. Die Hügelkuppen sind bewaldet, um die Bodenerosion zu begrenzen, die Wärme im Tal zu halten und die vorherrschenden Winde zu blockieren.
Obwohl Riesling die vorherrschende Sorte der Mosel ist, gibt es auch andere Rebsorten, dazu gehören Müller-Thurgau, der als „Zechwein“ bezeichnet wird, sowie Auxerrois, Gewürztraminer, Weißburgunder und Kerner. Spätburgunder und Dornfelder gehören zu den seit kurzen eingeführten Rotweinsorten.
Auf unserer Reise wurden wir auch in einige andere regionale Spezialitäten eingeführt. In Cochem hat unser Reiseleiter vom Pfirsichlikör aus dem rotem Weinbergs-Pfirsich erzählt. Die Bäume wurden ursprünglich von den Römern eingeführt und gedeihen gut auf den steilen Terrassenfeldern im Mosel-Tal. Die Haut ist flaumig grau, während das Fleisch ein brillantes Fuchsia-Rot hat.
Wo sich die Mosel in die Rheinschlucht windet, werden die von Weinbergen bedeckten Hänge noch steiler und sind mit Burgen gekrönt, wo einst die Landesfürsten von vorbeifahrenden Schiffen Maut für die Wasserpassage einsammelten. Heute gibt es keine Maut mehr, sondern hunderte von Lastkähnen und Flusskreuzfahrt-Schiffen, weiterhin eine lukrative Einnahmequelle für die gesamte Region sind.
Bei Rüdesheim am Rhein wird Wein für den Asbach Uralt Weinbrand destilliert. Der Rüdesheimer Kaffee ist eine regionale Spezialität. Weinbrand wird über Würfelzucker gegossen und am Boden einer speziellen Keramik-Tasse flambiert und so lange gerührt bis sich der Zucker auflöst. Dann wird starker Kaffee hinzugegeben, gefolgt von einem Topping aus dicker Schlagsahne und schließlich mit geriebener Schokolade bestreut. Den Weinbrand kann man auch pur trinken oder zum aromatisieren von Desserts verwenden.
Es gibt so viel zu tun und zu sehen in Rüdesheim. Das Museum für mechanische Musikinstrumente ist ein absolutes Muss, ebenso wie die Fahrt mit der Gondel auf den Berg zum Niederwalddenkmal, oberhalb der steilen Weinberge, das im Jahr 1871 von Kaiser Wilhelm I. zur Erinnerung an die Gründung des Deutschen Reiches gebaut wurde. Die Aussicht ist spektakulär.
Mit einer Flasche ‚Prinz von Hessen‘ Riesling aus Johannisberg im Rheingau und einem Konzert von La Strada, einem Trio mit zwei Geigern und einem Gitarristen, feierten wir an Bord unsere letzte Nacht in der Rheinwein-Region.
Am nächsten Morgen erwachten wir mit einem Panorama von den wohlhabenden, modernen Städten des Niederrheins ohne einen Weinberg in Sicht. In der künstlerischen und freigeistigen City von Düsseldorf pries unser Guide die Genüsse des Altbiers und der Altstadt, wo vier Brauereien das Stadtzentrum säumen, das er als den längsten Biergarten des Land bezeichnet. Ich trauerte noch immer den malerischen Weinbergen und historischen Kopfsteinpflaster-Städten hinterher, während mein überarbeiteter Fotografen-Ehemann einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, seine Kamera ablegte und sich ein Bier bestellte.
Geschichte von Veronica Leonard, Fotografien von Colin Leonard
Die Autorin
Veronica Leonard, eine kanadische Reiseautorin, die auf Wein Tourismus spezialisiert ist. Sie blogt auf thewinetourist.wordpress.com. Folgen Sie ihr auf Twitter als @travelprose.