Montenegro: Die Weine vom Skutarisee

Als ich vor einiger Zeit in Montenegro war, einem Land, das seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 2006 immens an Selbstbewusstsein gewonnen hat, hatte ich das große Glück einige Weingüter besuchen zu können und die heimischen Weine zu kosten.

Mitte des 19. Jahrhunderts verkündete Nikola Petrovic, der junge montenegrinische Prinz: “jeder Soldat, der aus einem Ort stammt, wo Wein gedeiht, muss 200 Reben pflanzen!” und begründete somit ein neues Zeitalter für den montenegrinischen Wein. Ein gutes Jahrhundert später, Anfang der 1970er Jahre, sorgte die Belegschaft eines Landwirtschaftlichen Großbetriebs dafür, dass ein bedeutender Anteil des Ackerlandes für die Kultivierung von Weinreben genutzt wird. Zwischen 1977 und 1982 ist der karge Boden von Cemovsko zu einer der Spitzenlagen für Wein vom Balkan geworden. 

Es gibt unzählige Arten von wilden Reben, die nur in dieser Gegend rund um den Skutarisee (Skadarsko Jezero) zu finden sind. In dieser Region sind seit je her viele Weinerzeuger beheimatet. Nur wenige exportieren ins Ausland, die meisten produzieren für den Hausgebrauch oder verkaufen innerhalb Montenegros, manche auch nach Russland, wohin enge Handelsbeziehungen bestehen. An den Hängen der hohen Berge gab es früher noch viele Weinberge, in Folge des zweiten Weltkriegs wurden aber viele Einwohner aus den Dörfern in die Städte getrieben und eine große Zahl dieser Lagen aufgegeben. Das verheerende Erdbeben von 1979 hat zudem die meisten der höher gelegenen Weingärten zerstört.

In Montenegro gibt es drei Hauptregionen mit nennenswertem Weinbau, Podgorica, Rogami und CrmnicaDie besten Weine kommen aus dem Gebiet Crmnica rund um den Skutarisee. Das Grundwasser reicht hier bis wenige Meter unter den Boden, überall gibt es Quellen, perfekte Bedingungen um Wein anzubauen. Ganz in der Nähe liegt der Ort Virpazar, eine alte osmanische Siedlung. Die meisten Familien hier sind entweder Weinerzeuger – so ziemlich jedes Haus hat seinen eigenen Weingarten und Ausstattung zum Keltern – oder Fischhändler, was bei der Nähe zum See nicht verwundert. Der Ort ist ein touristischer Höhepunkt, der für seinen riesigen Markt bekannt ist, wo es hausgemachten Wein und regionalen Fisch zu kaufen gibt. Vor allem im September, wenn das Wein- und Fischfest stattfindet, ist hier großer Trubel. 

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Nicht weit entfernt ist das kleine Weingut Savina (http://castelsavina.me/). Seit venezianischen Zeiten wird in dieser Region Wein erzeugt. Von der historischen Weinbau-Tradition zeugt eine alte Katasterkarte aus dem Jahr 1753, mit Flurstücken um das Savina Kloster und den Ort Meljine, die als „terra vignata“ bezeichnet sind. Das Familienweingut Savina arbeitet erst seit zwei Jahren kommerziell. Die Familie Obradović hat mich herzlich begrüßt und mit mir eine Tour über ihr faszinierendes Stück Land gemacht. Oliven- und Zitrusbäume sind in die Weingärten eingestreut, ein fantastischer Anblick. In nur zwei Jahren haben Sie es schon weit gebracht. Sie haben einen serbischen Önologen angestellt, der ihnen “Zuversicht gegeben hat, ihr Familiengeschäft an den Markt zu bringen”. Inzwischen beliefern sie die Spitzenrestaurants Belgrads und Montenegros. “Wir haben die Geschichte der Olivenöl- und Weinproduktion auf unserem Anwesen in die heutige Zeit bringen wollen”. Es gibt bereits Pläne für eine Villa zum Vermieten, ebenso für die Vergrößerung des Guts.

Ich würde unbedingt empfehlen, die Weintour mit einer Kreuzfahrt auf dem Skutarisee abzurunden. Der See ist der größte auf dem Balkan und er rühmt sich eine Vielzahl an gefährdeten Vogelarten zu beheimaten, allen voran den Krauskopfpelikan. Ich hatte das große Glück, gleich fünf dieser seltenen Vögel zu entdecken, mir wurde versichert, dass dies eine ausgesprochene Seltenheit sei. Diese prachtvollen Geschöpfe zu beobachten, wie sie über das azurblaue Wasser gleiten, ist geradezu mystisch.

Die eindrucksvollste Station auf meiner Reise war zweifellos die beim größten Rebfeld Europas – 30 km von der südlichen Adriaküste entfernt. Die idyllisch gelegene, staatliche Weinkellerei Plantaže (http://www.plantaze.com/) wurde 1963 gegründet, beginnend mit 200 Hektar an Rebflächen, und 2 Millionen Euro an Investitionen. Inzwischen hat der größte zusammenhängende Weingarten ‚Ćemovsko polje‘ alleine 2.310 Hektar, das ist mehr als die vier kleinsten Anbaugebiete Deutschlands zusammengenommen. Ich sage staatlich, obwohl 44% der Anteile in Privatbesitz sind. Der Staat hält noch die Mehrheit von 56%, was aber durchaus von Vorteil ist, vor allem wenn es um die riesigen Tourismusmarketing Aktivitäten geht. Die Reben profitieren von 290 Tagen Sonne im Jahr und dem kreidehaltigen Kalksteinboden, sowie den großen Kieselsteinen, die die Hitze des Tages puffern, um sie nachts wieder an die Weinstöcke abzugeben. Alles in Allem optimale Bedingungen.

Neben Oliven, 85 Hektar an Pfirsichbäumen und einer bedeutenden Fischzucht für Regenbogenforellen, gibt es eben diesen riesigen Weingarten, der 27 verschiede Rebsorten beherbergt. Darunter Chardonnay, Cabernet und natürlich Krstač, deren Name auf die Art zurückzuführen ist, wie ihre Trauben ein Kreuz zu bilden scheinen. Es ist eine alte weiße Traubensorte, der Art Vitis Vinifera, die nur in Serbien und Montenegro zu finden ist, wo sie hauptsächlich rund um die Hauptstadt Podgorica wächst. Plantaže ist das einzige Weingut der Welt, das Krstač anbaut und Wein produziert, der diesen Namen auf dem Etikett trägt. Es ist ein erstklassiger, voller, trockener Weißwein mit hellgelber Farbe, Birnen- und Pfirsichnoten sowie harmonischen floralen Aromen, er hat eine angenehme Säure und 12,5-%-Alkohol. Viele haben erfolglos versucht, diese Traubensorte mit ihren ovalen Beeren anderswo zu kultivieren, sie scheint aber nur im günstigen montenegrinischen Klima zu gedeihen, das genau die richtigen Bedingungen, wenig Regen und Eimerweise Sonnenschein zu bieten hat.

Überwältigende 70% der von Plantaže angebauten Reben sind die kräftige Vranac, was schwarzes Pferd bedeutet. Interessanterweise hört man hier nur selten den Ausdruck ‚Rotwein‘, stattdessen sagt man ’schwarzer Wein‘. Vranac hat seit ihrem Ritterschlag auf der Londoner Wine Fair von 1907 viele internationale Auszeichnungen gewonnen. Vranac wächst in kleinen Trauben deren Beeren einen beträchtlichen Zuckergehalt haben. Die Verkäufe von Plantaže setzen sich durchschnittlich aus 25% Weißwein, 10% Branntwein und 65% Vranac zusammen. 40% werden innerhalb von Montenegro, 35% in Serbien und der Rest weltweit vertrieben, insbesondere in Russland, Australien, den Vereinigten Staaten, China und England. In den drei beeindruckenden Weinkellern von Plantaže lagern 2 Millionen Liter Wein, 17 Millionen Flaschen Wein- und Branntwein werden jährlich erzeugt. Die Touristen kommen überwiegend aus Deutschland, Russland und Italien, aber der größte Zulauf kommt aus Skandinavien zusammen mit vielen Montenegrinern, die bislang gar nicht wussten, dass sie in einem Land leben, das den größten Weingarten Europas beherbergt.

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Während die Weingemeinde empfiehlt, Vranac mit Makkaroni, Rindfleischcurry oder Fleischbällchen zu servieren, würde ich vorschlagen diesen Roten mit der regionalen Spezialität ‚Käse in Öl‘ zu paaren. Das ist im Wesentlichen ein reifer trockener Kuhmilch-Käse, der gewürfelt und mit Olivenöl sowie dem hier angebauten Rosmarin, für einen Monat in einem Glas eingelegt wird. Eine weitere Spezialität, die einfach mit Brot, Käse und Wein serviert wird, ist der berühmte luftgetrocknete Schinken aus Njegusi. Man sagt, es geschieht etwas Magisches, wenn hier die beiden Luftströmungen aus dem gebirgigen Norden und von der Adriatischen Küste kollidieren. Es lohnt sich auf jeden Fall ein großes Stück davon mit nach Hause nehmen!

Die Mahlzeiten werden hier gewöhnlich mit einem Schuss Schnaps eingeläutet, Quitte für die Damen und der Traubenbrand Loza, der Sie von den Socken hauen wird, für die Herren. Montenegro ist zweifellos eine kulinarische Entdeckungsreise wert, und wenn man sich auf nur zwei Weine beschränken müsste, dann wären es sicher die, die in diesem Land einzigartig sind; Vranac und Krstač. Das Schöne dabei: Man bekommt je einen Roten und einen Weißen…

Übersetzte Fassung des Artikels „The Wines of Lake Skadar“ von Yasemen Kaner-White, erschienen im Wine Tourist Magazine, Ausgabe März 2016.

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