Winzer in zwei Welten | Baden – Wairarapa

Keine Frage, deutsche Winzer sind in aller Regel heimatverbundene Leute. Sicher, man holt sich Inspiration aus der ganzen Welt, die Weinberge liegen aber meist maximal eine Trecker-Stunde vom eigenen Weingut entfernt. Nur wenige trauen sich mit ihren Reben über die Grenzen des Anbaugebiets, oder gar über die Landesgrenze, hinaus. Einzigartig ist hier wohl die Winzerfamilie Johner aus dem beschaulichen Bischoffingen am Kaiserstuhl in Baden.

Um mit dem Trecker all ihre Weinberge abzufahren würde man Jule Vernes “In 80 Tagen um die Welt” alle Ehre machen. Der direkte Weg zwischen den entferntesten Lagen ist ca. 12.700 km, der führt allerdings mitten durch die Erdkugel. Die Johners betreiben neben dem Weingut am Kaiserstuhl ein zweites in Wairarapa. Für all diejenigen, denen Wairarapa nicht auf Anhieb etwas sagt, wir sprechen über Neuseeland, den südlichen Zipfel der Nordinsel. Vielen Weinliebhabern wird die Region auch als Martinborough bekannt sein. Patrick Johner, der Junior-Chef der beiden Weingüter “Karl H. Johner” in Bischoffingen und “Johner Estate” in Masterton, Neuseeland, erzählt uns wie es zu dieser Konstellation kam und was es bedeutet in zwei Welten – der “alten” und der “neuen Welt” – Wein zu machen.

Der Kaiserstuhl ist der wohl bekannteste Bereich im Weinanbaugebiet Baden. Das kleine Vulkangebirge erhebt sich am Hochschwarzwald aus der Oberrheinischen Tiefebene. Hier herrscht das wärmste Klima Deutschlands. Auf 4163 Hektar Rebfläche wächst rund ein viertel des Badischen Weines. Vor allem Burgundersorten fühlen sich hier ausgesprochen wohl.

— Badischer Weinbauverband
Der Kaiserstuhl in Baden.  Bildquelle: Weingut Karl H. Johner
Der Kaiserstuhl in Baden.  Bildquelle: Weingut Karl H. Johner

Baden, das neue Burgund

Der Kaiserstuhl, im Weinanbaugebiet Baden gelegen, ist ein kleines Gebirge vulkanischen Ursprungs. Das Gebiet verfügt über die meisten Sonnenscheinstunden sowie das wärmste Klima aller deutschen Weinbauregionen. Sein bevorzugtes Klima verdankt der Kaiserstuhl der speziellen Lage zwischen den Vogesen und dem Oberrheintal. Die malerische Landschaft ist geprägt von den Terrassenstufen um den ehemaligen Vulkankegel, auf denen die Reben stehen. Hier stehen wunderbare, alte Rebstöcke auf Vulkanverwitterungsböden, die den Weinen viel Kraft und Ausdruck verleihen. Rund ein Viertel des Gebietes ist mit fruchtbarem Lössboden bedeckt.

Herrlicher Blick vom Kaiserstuhl.  Bildquelle: Weingut Karl H. Johner
Herrlicher Blick vom Kaiserstuhl.  Bildquelle: Weingut Karl H. Johner

Am Kaiserstuhl wurden noch vor rund 30 Jahren überwiegend restsüße Weine und einfache Rotweine produziert. Außerhalb Deutschlands waren die Weine unbedeutend und kaum bekannt. Da die Region aber etwa auf dem gleichen Breitengrad mit dem Burgund liegt, stellte sich die Frage, weshalb es hier nicht möglich sein sollte, Weine nach burgundischem Vorbild zu erzeugen. Diese Frage stellte sich auch Karl Heinz Johner, als er 1985 ein kleines Weingut in Bischoffingen am Kaiserstuhl gründete. Er baute seine Weine in einer, für die damalige Zeit, innovativen Weise aus. Rotweine mit Maischegärung und Ausbau im Barriquefass, sowie ein Weißer Burgunder der ebenfalls im Barrique gereift war, konnten damals aber – wegen des Holztons – die Qualitätsweinprüfung noch nicht bestehen. Sie wurden also “nur” als Deutsche Tafelweine eingestuft.

Die neue Stilistik der Weine vom Kaiserstuhl machte aber immer mehr Sommeliers und Weinhändler aus ganz Deutschland auf die Burgundischen Weine „Made in Germany“ aufmerksam. Die Preise für Weine aus dem Burgund waren enorm angestiegen und die neuen Burgunder aus Deutschland eine willkommene Alternative. Inzwischen hatten auch andere Weingüter damit begonnen Weine im Barrique auszubauen.

– Anzeige –

Wein direkt vom Winzer

Baden und die weite Welt

Mit den Sommeliers und Weinhändlern kamen auch die Journalisten und Fotografen. Dabei ging es nicht mehr nur um die Weine vom Kaiserstuhl sondern auch um den Spätburgunder, also dem Pinot Noir generell. Pinot Noir ist eine Rebsorte, die sich besonders in den kühleren Weinbauzonen wohl fühlt. Zu hohe Temperaturen im Herbst lassen die Frucht verkochen. Es gibt nur wenige Gebiete, wo diese Rebsorte so elegant und eindrucksvoll zur Geltung kommt. Schnell kam man mit den Besuchern ins Gespräch, wo sonst auf der Welt diese Sorte noch ebenso wunderbar gedeiht. Viele erzählten von der Neuen Welt, von Oregon, Australien und von Neuseeland.

Inspiriert von diesen Schilderungen machten sich Johner Senior und sein Sohn Patrick im Jahr 1998 auf eine Pinot Noir Weltreise. Sie hatten die Idee, gemeinsam mit einem Studienkollegen, der sie auf der Reise begleitete, ein Weingut in Oregon, im Nordwesten der Vereinigten Staaten, aufzubauen. Wieder zu Hause angekommen fassten sie aber einen neuen Plan, denn in Oregon waren die Landpreise zu teuer. Hinzu kamen das Risiko von schlechtem Wetter und die Botrytis-Gefahr, die ähnlich hoch war wie in Deutschland. Außerdem würden die Ernten in beiden Regionen zeitgleich ablaufen, was nur schwer zu bewältigen wäre.

Anders in Neuseeland. Da auf der Südhalbkugel gelegen, findet hier die Vegetationsperiode zeitlich versetzt zur Nordhalbkugel statt, geerntet wird also in März und April. So fiel die Entscheidung auf Neuseeland. Das erste Projekt mit dem Kollegen war leider nicht von Erfolg gekrönt, deshalb entschied man sich 2001 einen eigenen, zweiten Betrieb in Neuseeland zu gründen. Kurzerhand wurde aus einer an einem Fluss gelegenen Schaf- und Rinderweide ein neues Weingut.

Neuseelands atemberaubende Landschaften. Bildquelle: Johner Estate
Neuseelands atemberaubende Landschaften. Bildquelle: Johner Estate

Das interessanteste Pinot Noir Territorium auf der Nordinsel Neuseelands – und das erste, das sich mit dieser Traube einen Ruf erworben hat – ist Martinborough, auch Wairarapa oder Wellington genannt. Hier liegen die Temperaturen viel niedriger als in den anderen Anbauregionen auf der Nordinsel. Nirgendwo in Neuseeland sind die Tag-Nacht Temperaturunterschiede größer als hier. Neben Pinot Noir und der zweitmeist angebauten Sorte Sauvignon Blanc rückt zunehmend Pinot Gris (Grauburgunder) in den Vordergrund.

— Hugh Johnson, Jancis Robinson: Der Weinatlas

Es gab noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Die Rebfelder mussten komplett neu angelegt werden und es wurde eine Wasserversorgung installiert um Trockenperioden besser zu überstehen. Andere Widrigkeiten sind beispielsweise die extrem gefräßigen Vögel, die mit Netzen von den Trauben ferngehalten werden müssen, ebenso die stürmischen Winde, die den Reben und ihren Trieben zusetzen, aber auch stabilere Pfähle in den Rebzeilen erfordern. Und schließlich mussten noch Windmaschinen als Schutz gegen die häufig auftretenden Spätfröste angeschafft werden. Alles in allem ist der Aufbau eines Weinberges in Neuseeland mindestens doppelt so teuer wie in Deutschland.

– Anzeige –

Click und Mix 728 x 90

Zum Plan gehörte auch, bedingungslos auf ökologischen Weinbau zu setzen. Das Klima in Neuseeland schien hierfür ideal, jedoch setzte in 2005 ein großer Regen dem Plan ein jähes Ende. Als es zur Ernte ging waren die vollreifen, perfekt ausgedünnten Pinot Noir Trauben mit Botrytis übersät und unbrauchbar. Um dieses wirtschaftliche Risiko zu vermeiden ist es nötig in kritischen Jahren ein Botrytismittel einzusetzen. Auf Herbizide wird in beiden Betrieben schon lange verzichtet und solange das Wetter einen risikofreien Ökoweinbau erlaubt, werden auch nur solche Spritzmittel verwendet.

Die Weine: gleiche Handschrift bei verschiedenen Voraussetzungen

Neben dem Pinot Noir wird in Neuseeland überwiegend Sauvignon Blanc angebaut. Diese Rebsorte profitiert von den kalten Nächten während der Reifungszeit. Dadurch verzögert sich die Reife und es können sich die vielfältigen Aromen ansammeln. Das Wairarapa Gebiet ist etwas wärmer als das auf der Südinsel gelegene Marlborough. Die Sauvignon Blancs von Johner sind daher von reiferen Aromen geprägt, die in manchen Jahren in die tropische Fruchtaromatik gehen. In Neuseeland schaffen es aber auch die Cabernet Sauvignon und Merlot Trauben fast jedes Jahr voll auszureifen. Am Kaiserstuhl ist das Wetter im Herbst in vielen Jahrgängen hierfür nicht stabil genug. Niederschläge und Nebel verhindern hier oft die nötige Ausreifung.

Steiniges Rebfeld in Wairarapa. Bildquelle Johner Estate
Steiniges Rebfeld in Wairarapa. Bildquelle Johner Estate

Neben dem Klima werden die Weine natürlich stark vom Boden geprägt. Am Kaiserstuhl kann man das wunderbar erschmecken. Insbesondere beim Vergleich der Weine vom Lössboden mit denen aus den vulkanisch geprägten Gebieten. Die Rebstöcke auf Lössboden haben eine bessere Wasserversorgung und erleiden weniger Stress. Die daraus resultierenden Weine sind stärker fruchtbetont und geradlinig im Geschmack. Weine von Vulkanverwitterungsböden, sind in der Frucht eher verhalten, aber würziger am Gaumen und vielschichtiger.

In Wairarapa besteht der Boden überwiegend aus Flussschwemmland mit großem Kiesel. Mit seinem hohen Eisenanteil prägt dieser die Weine mit einer speziellen Würzigkeit. Zuletzt wurde etwas weiter in den Bergen, gemeinsam mit dem Mitarbeiter Raphael Burki, ein weiterer Weinberg auf Kalkboden angelegt. Detailverliebtheit und die Möglichkeit solche geschmacklich prägende Unterschiede herauszuarbeiten treibt die Winzerfamilie Johner an.

Trotz großer Herausforderungen bieten die zwei zeitversetzten Weingüter die große Chance noch schneller Erfahrungen zu sammeln und qualitätssteigernd umzusetzen. So wurde beispielsweise für den Kaiserstühler Betrieb mit einer optischen Sortiermaschine der nächste Innovationsschritt eingeläutet. Hiermit wird die Ausbeute an perfekten und reifen Einzelbeeren erhöht, was sich entscheidend auf die Qualität der Weine auswirkt. Das Weingut in Neuseeland hat mittlerweile eine Größe von 20 Hektar erreicht. In Bischoffingen am Kaiserstuhl stehen dem 17 Hektar entgegen. Mit einem Besuch in Bischoffingen hat man die einzigartige Möglichkeit zwei Wein-Welten zu verkosten und miteinander zu vergleichen. Die Weine tragen jeweils die gleiche Handschrift, zur Geltung kommen vor allem die klimatischen Unterschiede. Bei den Johners ist man in jeder Hinsicht seiner Zeit voraus, denn während in Deutschland im Herbst noch die Lese läuft können sie schon den ersten Wein aus diesem Jahrgang anbieten. Von der anderen Seite der Weltkugel.

– Anzeige –

728x90 Best Price

– Anzeige –