Mendoza: Weinparadies in Argentiniens Wildem Westen

Wie schnell kann man sich an blauen Himmel gewöhnen? Nun, wenn Sie in Mendoza, im Westen Argentiniens leben, ist die Antwort: Früher, als Sie glauben. Wettermäßig hat Mendoza durchschnittlich 320 Sonnentage pro Jahr zu bieten, was die erste Hälfte von Mendozas Beinamen Tierra del Sol y del Buen Vino („Das Land der Sonne und der feinen Weine“) erklärt. Was den zweiten Teil betrifft, ist Mendoza, aufgrund seiner günstigen klimatischen Bedingungen, wegweisend für den argentinischen Wein, seit der spanische Priester Juan Cedrón im Jahr 1556 die ersten Reben nach Argentinien brachte.

Die Anfänge des Weinanbaus in der Region Mendoza fallen mit der Gründung der namensgebenden Stadt zusammen. Mendoza wurde im Jahre 1561 vom spanischen Kapitän Pedro del Castillo gegründet, ein Jahr später wurden dort die ersten Reben gepflanzt und damit die Grundlage für das heute größte Weinanbaugebiet Südamerikas gelegt. Die Provinz Mendoza – mit einer Fläche etwas größer als England – produziert allein mehr Wein als das gesamte Nachbarland Chile. Rund drei Viertel der argentinischen Jahresproduktion an Wein kommen von hier.

Wein wird in der gesamten Provinz Mendoza angebaut, die wichtigsten Regionen sind Luján de Cuyo sowie Maipú, etwas außerhalb der Stadt, und das fruchtbare Tal Valle de Uco, etwa eineinhalb Autostunden Richtung Südwesten von Mendoza entfernt. Es empfiehlt sich diese Bereiche an zwei separaten Tagen zu besuchen. Maipú und Luján sind die Wiege des Weinbaus von Mendoza, mit einigen der ältesten Weingüter des Landes. Valle de Uco, auf der anderen Seite, blickt auf eine relativ junge Vergangenheit im Weinbau zurück und hat einige der modernsten Weingüter Argentiniens aufzuweisen, viele mit spektakulärer Architektur. Doch nicht nur die Weingüter, sondern auch die Weine sind unterschiedlich. Bei einem Malbec aus Luján oder Maipú trifft man recht häufig auf fruchtige, marmeladige Noten von roten Beeren, Kirschen und Pflaumen, während für die Malbecs aus den höher gelegenen Gebieten des Valle de Uco mineralische Noten typisch sind. Dort stehen die Rebstöcke überwiegend auf felsigen Böden.

Die Anden sind der längste Gebirgszug der Welt und prägen entscheidend das Klima in den argentinischen Weinanbaugebieten. Hier wachsen Weinstöcke in Höhen, die für Europa unvorstellbar wären. Die Durchschnittshöhe argentinischer Anbauflächen beträgt 900 Meter. Die Nachtthemperaturen sind so niedrig, dass wohlschmeckende, dunkle Rote und in den kühleren Bereichen vor allem im Norden aromatische Weiße entstehen.

— Hugh Johnson, Jancis Robinson: Der Weinatlas

Obwohl Malbec die weitaus größte Bedeutung hat und die am häufigsten gepflanzte Rebsorte in Argentinien generell und in Mendoza im Besonderen ist, findet man hier auch hervorragenden Cabernet Sauvignon oder Chardonnay. Die Provinz San Juan assoziiert man mit Shiraz. Argentiniens autochthone, weiße Rebsorte, Torrontés, verbindet man mit der Region Salta, im Nordwesten des Landes. Diese und viele andere Sorten kann man in Mendozas zahlreichen Probierstuben und  Restaurants genießen.

 

Apropos genießen: Bei der argentinischen Küche denkt man unweigerlich an Steaks, und das durchaus zurecht. Es gibt unzählige Grills in Mendozas Innenstadt, vom erstklassigen La Barra bis zum günstigeren La Florencia oder kleine schnuckelige und sehr gediegene Restaurants, wie Azafrán, Maria Antonietta oder Ocho Cepas, die neben Rib-Eye oder Skirt-Steak auch andere ausgezeichnete argentinische Gerichte bieten. Alle der oben genannten Restaurants sind in einem Radius von fünf Gehminuten zu finden. Ebenso wie Francesco und La Marchigiana, zwei der besten italienischen Restaurants in Mendoza. Zwei kulinarische Tempel, die zwar nicht im Zentrum der Stadt liegen, aber trotzdem einen Besuch wert sind, sind das 1884, im Besitz von Argentiniens bekanntesten Koch Francis Mallmann und das bodenständigere Don Mario, das sehr beliebt unter den einheimischen Fleischliebhabern ist.

Am Morgen nach einem üppigen Abendessen in einem dieser Restaurants können Sie sicher einen kleinen Spaziergang durch Mendoza gebrauchen. Die Stadt kann leicht innerhalb eines halben Tages erkundet werden. Am besten beginnen Sie Ihren Streifzug im Zentrum von Mendoza am Plaza Independencia, der von vier anderen Plätzen umgeben ist, Plazas Italia, España, Chile und San Martin. Sie können die Stadt aber auch an Bord eines der bunten DoppeldeckerBusse entdecken, die von Mendozas Tourismus Ministerium betrieben werden. Damit kommt man an interessante Stellen, die für einen Fußmarsch zu weit von der Innenstadt entfernt liegen. Zum Beispiel das imposante Monument zum Gedenken an General José de San Martin, der mit einer Armee von 6.000 Soldaten die Anden überquerte und damit den ersten wichtigen Schritt bei der Befreiung Südamerikas von der spanischen Krone markierte. Das Denkmal wurde auf einem Hügel in Mendozas größtem Park errichtet, der nach General San Martin benannt und flächenmäßig größer als der Central Park in New York City oder der Englische Garten in München ist.

Obwohl Mendoza eine der ältesten Städte in Argentinien ist, sieht man ihr das nicht an. Nahezu sämtliche Bauten, die von der Kolonialzeit der Stadt zeugen könnten, wurden durch ein verheerendes Erdbeben im Jahr 1861 zerstört. Die Innenstadt ziert eine Besonderheit, die einzigartig in Argentinien ist, vielleicht sogar in der ganzen Welt: die so genannten Acequias. Diese engen Bewässerungs-Kanäle versorgen die Tausenden von Bäumen, die jede Straße von Mendoza säumen, mit Wasser. Diese Bäume machen Mendoza zu einer unglaublich grünen Stadt und bieten reichlich Schatten in den glühend heißen Sommern. Zudem schützen ihre Wurzeln den Boden, der früher regelmäßig durch die seltenen aber heftigen Regenfälle in die niedriger gelegenen Stadtteile geschwemmt wurde. Auf dem Land sind die Acequias von größter Bedeutung für den Weinbau und die Landwirtschaft im Allgemeinen. Viele der mehr als 16.000 Weingüter der Region sind abhängig vom Wasser der Kanäle.

Wenn man durch die Landschaft fährt, dann sind die Acequias nicht das einzige typische Merkmal für Mendozas Weinregion. Scheinbar endlose Reihen von Platanen säumen die Straßen zu beiden Seiten und bilden mit ihren ineinander greifenden Blättern natürliche Tunnel. Diese spielten im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine große Rolle, als die Trauben während der Lese noch in offenen, von Pferden, Maultieren oder Ochsen gezogenen Wagen, aus den Weinbergen zur Kelterei gebracht wurden. Die Weinlese in Argentinien beginnt Ende Januar und endet im April oder Anfang Mai. Die Tageshöchsttemperaturen sind vor allem während der ersten Hälfte der Lese sehr hoch und die Sonne brennt unerbittlich vom Himmel. Der Schatten der Bäume auf dem Weg in die Kelterei war wichtig, um eine vorzeitige Oxidation und Gärung des Leseguts zu vermeiden.

Neben der Schaffung dieser „grünen Tunnel“ erwies sich die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als ein Wendepunkt für die argentinische Weinindustrie in anderer, wichtigerer Hinsicht. 1853 steht für die Ankunft der argentinischen Leit-Rebsorte Malbec. Der französische Agrarwissenschaftler Michel Pouget wurde von der Landesregierung angestellt, um die typischen Sorten aus dem Bordelais einzuführen: Cabernet Sauvignon, Merlot und Malbec. Vor allem in Mendoza, fand diese Sorte perfekte klimatischen Bedingungen, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Es gibt fast keinen Winzer hier, der nicht Malbec anbaut.

Andere Faktoren, die den Weinbau in der Region zu Ende des 19. Jahrhunderts ankurbelten waren der Bau der Bahnlinie zwischen Mendoza und Buenos Aires, und der Zuzug Tausender Familien, aus Spanien, Italien und Frankreich, wo die Reblaus wütete und viele Weinbaubetriebe ihrer Existenz beraubte. Viele der Weingüter, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurden sind für Besucher geöffnet. Einige von ihnen benutzen noch die ursprünglichen Gebäude manche verwenden sogar noch die originalen Gärbottiche aus Beton. Etwa hundert Jahre später, Mitte der 1980er Jahre, haben Visionären wie Nicolás Catena Zapata Barriquefässer in Argentinien eingeführt, um ihre Weine darin zu reifen, zudem begann man Reben in höheren Lagen zu pflanzen und produzierte Wein mit einem deutlich geringeren Ertrag als in den Ebenen von Mendozas Osten, aber von herausragender Qualität.

Viele Weingüter in Mendoza betreiben ein eigenes Restaurant, wo Köche, Winzer und Sommeliers Hand in Hand arbeiten, um Speisen Paarungen zu entwickeln, die am besten den Charakter der Weine zum Ausdruck bringen. Ruca Malén, Dominio del Plata oder Lagarde sind Weingüter in Stadtnähe, bei denen es sich lohnt den Besuch mit einem Essen zu kombinieren. Ein anderes, Alta Vista, bietet GourmetPicknicks mit ihren Weinen in einem wunderschönen kleinen Park vor dem Weingut. Im Valle de Uco sind empfehlenswerte Weingüter mit Restaurants beispielsweise O. Fournier, das in Sachen Architektur wahrscheinlich das spektakulärste Weingut Argentiniens ist, außerdem Domaine Bousquet und Andeluna. Ein Weingut, das sich etwas abseits der ausgetretenen Pfade bewegt ist Atamisque. Das Restaurant, Rincón Atamisque, ist nur einen Steinwurf vom Weingut entfernt und verfügt über eine eigene Forellenzucht, um frischen Fisch zu ihren Weißweinen und dem Pinot Noir anzubieten. Nach dem Essen können Sie noch eine Runde Golf spielen oder auf dem Gelände Reiten gehen.

Was die Outdoor-Aktivitäten betrifft, so gibt es die hier zuhauf: Rafting, Trekking, Wandern, Paragliding, Mountainbiking, Klettern… was will man mehr. Was der Stadt an historischen Gebäuden fehlt, macht ihre atemberaubende Umgebung wieder wett. Die Anden, die längste Bergkette der Welt, steigen westlich der Stadt wie eine Mauer auf und der Aconcagua, mit rund 7.000 Metern der höchste Berg der Welt außerhalb des Himalaya, liegt etwa drei Autostunden von Mendoza entfernt.

Die beste Reisezeit?

Mendoza ist das ganze Jahr über eine Reise wert. Im argentinischen Winter, von Juni bis September, kann man die großen Touristenmassen umgehen, man wird aber auch auf einige der zahlreichen OutdoorAktivitäten verzichten müssen. Im Sommer von Dezember bis März, können Sie dem grauen Himmel und den niedrigen Temperaturen der nördlichen Hemisphäre entkommen, werden aber vielleicht von der gleißenden Hitze überwältigt. Im Januar 2014 gab es zum Beispiel 20 aufeinanderfolgende Tage mit mehr als 35° C. Frühling, von September bis Dezember und Herbst, von März bis Juni, bieten die angenehmsten Temperaturen, wobei Oktober und März wahrscheinlich die besten Monate für einen Besuch sind. Am zweiten Wochenende im März findet Mendozas kulturelles Highlight des Jahres statt, die Vendimia, Südamerikas größtes Weinlesefest. Für ein Wochenende feiern Jung und Alt Mendozas reiche Tradition des Weinbaus.

Wie kommt man hin?

Die internationale Verbindung zum Flughafen von Mendoza geht über Santiago de Chile. Der Flug von Santiago dauert etwa 40 Minuten und kann schon mal einer Achterbahnfahrt gleich kommen, da es über den Anden häufig zu Turbulenzen kommt. Die Busfahrt von Santiago ist zweifellos landschaftlich sehr reizvoll, die strengen Grenzkontrollen können es aber zu einer anstrengenden Tagestour werden lassen. Der Flug von Buenos Aires nach Mendoza dauert etwas mehr als eine Stunde und bietet mehr als die Hälfte ein grandioses Panorama auf Argentiniens karges Landesinnere. Auch hier wäre der Bus eine Alternative. Das Ticket kostet etwa die Hälfte des Flugtickets, die Fahrt dauert aber zwischen 13 und 15 Stunden.

Wo kommt man unter?                                                                                    

Drei von Mendozas beliebtesten Hotels, das Park Hyatt , das Diplomatic und das Sheraton befinden sich im Stadtzentrum, in unmittelbarer Umgebung zu vielen Restaurants und dem Einkaufsviertel. Weitere Hotels, die eine gute Ausstattung bieten und günstig gelegen sind, sind das Amérian Exekutive, das Huentala und das Villaggio. Was hochwertige Unterkünfte betrifft, so sind in den letzten Jahren die Lodge-Hotels in Mendozas Weinregion immer beliebter geworden, sie bieten oft ein Spa und sind inmitten der Weinberge gelegen. Die am nächsten der Stadt gelegenen, in den Bezirken Luján de Cuyo und Maipú, sind Entre Cielos, Club Tapiz und die Cavas Wine Lodge. Im Valle de Uco verfolgen die Casa Antucura, The Vines Resort & Spa und Posada Salentein ein ähnliches Konzept.

– Anzeige –

728x90 Best Price

Die Reiseplanung?

Nur wenige Menschen reisen ausschließlich nach Mendoza ohne andere Teile von Argentinien oder Südamerika zu besuchen. Vier Tage sind ausreichend, um mehr als einen flüchtigen Blick auf Mendoza und sein Weinland zu erhalten. Einen Tag um die Stadt zu entdecken, einen Tag um die Weingüter in Luján de Cuyo und Maipú zu besuchen, ein Tag für die im Valle de Uco und vielleicht noch einen zusätzlichen Tag für einem Ausflug in die Berge.

Bei einer Reise in die Weinanbauregionen Südamerikas darf der Besuch Mendozas keinesfalls fehlen. Sie ist zweifelsohne eine der Great Wine Capitals. Die Kombination aus charmanter Stadt mit einem ausgezeichneten Angebot an Weinen und Speisen und der atemberaubenden Landschaft ist schwer zu schlagen … von den durchschnittlich 320 Sonnentagen im Jahr ganz zu schweigen.


Übersetzte Fassung des Artikels „Mendoza-Malbec, Mountains… and much more“ von Michael Walz, erschienen im Wine Tourist Magazine, Ausgabe Oktober 2015.